„Arisierungen" in Bad Ischl

Stecknadel Sparkassenplatz


Blick in die Pfarrgasse 1938 (Gemeindechronik Bad Ischl, Foto Hofer)


Video mit Günter Kaindlstorfer

Günter Kaindlstorfer spricht über seinen Großvater, der in Bad Ischl 1938 Sparkassen-Direktor und NSDAP-Ortsgruppenleiter war.


Nach dem „Anschluss“ war den örtlichen NSDAP-Funktionären die rasche „Entjudung“ Ischls im Hinblick auf den Fremdenverkehr ein besonderes Anliegen. Anfangs übten nicht übergeordnete Behörden, sondern die Nationalsozialisten vor Ort, Druck aus und trieben „Arisierungen“ skrupellos voran. Ingenieur Wilhelm Haenel war gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Franz Konrad und Ortsgruppenleiter Anton Kaindlstorfer federführend daran beteiligt. 

Begehrt waren die Häuser und Villen der ortsansässigen jüdischen Bevölkerung, ebenso wie jene der Sommergäste. Gewerbliche Betriebe (z.B. das Hotel „Franz Karl“ in der Salzburgerstraße 3) erhielten umgehend kommissarische Verwalter und sollten rasch an „arische“ Käufer übergehen. 

Ortsgruppenleiter Kaindlstorfer war gleichzeitig Direktor der Sparkasse Bad Ischl und kaufte daher einige Anwesen für die Sparkasse, um sie anschließend weiter zu veräußern. Daneben wurden Sperrkonten bzw. Sonderdepots, die im Zuge von „Arisierungen“ entstanden, bei der Sparkasse angelegt. 

Auch das Land Oberösterreich trat als „Ariseur“ bei 20 Liegenschaften in Erscheinung, um sie anschließend gewinnbringend weiterzuverkaufen. Am häufigsten wurde direkt an Privatpersonen verkauft, wobei auch hier der Verkauf stets unter Druck stattfand. Einerseits aufgrund der verfolgungsbedingten ökonomischen Situation und andererseits aufgrund von Drohung und Erpressung. Die Abwicklung des Verkaufs bzw. die Käuferauswahl oblag auch hier Wilhelm Haenel. 

Insgesamt wurden in Bad Ischl 98 Liegenschaften ihren jüdischen Besitzern geraubt. 

Text: Mag.a Nina Höllinger


Zum Weiterlesen:

„Vermögensentzug („Arisierungen“) an jüdischen Liegenschaften in Bad Ischl“ von Nina Höllinger (Betrifft Widerstand #92, Seite 19):
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Die Rückstellung von „arisierten“ Liegenschaften in Bad Ischl von Nina Höllinger 
(Betrifft Widerstand #94, Seite 43): 
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Die Arisierung der Schratt-Villa in Bad Ischl – „Im Übrigen müssen wir es der Gestapo überlassen…“ Protokoll der staatlich sanktionierten Beraubung und Ermordung der österreichischen Juden am Beispiel der Helene Löhner, Besitzerin der Villa Felicitas („Schratt-Villa“) in Bad Ischl.
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Videocredits: 

Regie und Kamera: Teresa Distelberger 
Kamera und Schnitt: Elena Catalina Martín Lobera 
Musik: Christian Kapun


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